Ein Plädoyer für mehr Zeit und Vertrauen in das Kind und seine Entwicklung

In meinem Leben – sowohl beruflich als auch privat – beobachte ich immer öfters wie wichtig und wertvoll es ist Kindern Zeit zu geben. Ihnen zu vertrauen, dass sie den nächsten Entwicklungsschritt in ihrem Tempo von sich aus machen dürfen, nährt und unterstützt sie. Kinder zeigen in der Regel von sich aus, wenn sie für etwas bereit sind. Das haben viele Experten wie Maria Montessori, Jesper Juul, Remo Largo oder Nicola Schmidt immer wieder betont. Als Mama kann ich dir das durch meine eigenen Erfahrungen bestätigen.

Die Bereitschaft für einen Entwicklungsschritt äußeren Kinder durch Interesse und Neugierde. Zum Beispiel entwickeln sie ein Interesse am Malen und Basteln und signalisieren damit, dass sie bereit sind dies lernen und entdecken zu wollen. Eine Vorbereitung auf das Schreiben. Es kann auch sein, dass Kinder durch ein (non-verbales) Signal wie zum Beispiel das Abgeben der Windel oder durch Äußerungen wie „Ich brauche keine Windel mehr“ ausdrücken, dass sie nun für einen Entwicklungsschritt bereit sind.

Um Eltern zu ermutigen den Kindern mehr Zeit zu geben und zu vertrauen, möchte ich hier zwei Beispiele genauer beschreiben.

Beispiel Malen und Stifthaltung

Vor allem Buben-Mamas werden immer wieder konfrontiert mit der Situation, dass ihr Kind sich wenig für Malen interessiert und/oder den Stift noch nicht richtig hält. Auch ich als Buben-Mama habe diese Erfahrung gemacht.  Ich möchte dir hier eine wahre Geschichte erzählen, die für viele Buben zutrifft und ich in unterschiedlichen Facetten immer wieder beobachte.

Ein 3-jähriger Junge interessiert sich nicht für Malen. Auch mit 4 Jahren steigt das Interesse nicht wesentlich. Ab und zu malt er. Doch nicht besonders schön und die Stifthaltung ist nicht richtig. Dies wird vom Kinderarzt und den Kindergartenpädagoginnen den Eltern rückgemeldet. Beide betonen auch, dass es noch genug Zeit gibt die richtige Stifthaltung zu entwickeln.
Die Eltern vertrauen und geben dem Kind Zeit. Malen mit unterschiedlichsten Stiften wird immer wieder angeboten – im Kindergarten und Zuhause. Auf einmal mit 5 Jahren beginnt der Junge zu malen. Er signalisiert Interesse am Malen und Basteln. Immer öfters und mit immer mehr Freude setzt er sich hin und malt. Die Stifthaltung wird dadurch geübt und besser. Erfolge wie das schöne ausmalen eines Bildes oder das erste Portrait der Familie, wo alle Mitglieder erkennbar sind, zeigen sich.

Ich möchte dich einladen auf dein Bauchgefühl zu vertrauen, ob dein Kind noch Zeit braucht und es von alleine sein Interesse für Malen und Schreiben entdeckt oder ob es vielleicht doch eine besondere Förderung wie zum Beispiel Ergotherapie braucht. Eltern kennen ihre Kinder so gut und spüren in der Regel was ihr Kind braucht und was nicht.

Beispiel Sauber werden

Auch beim Sauber werden brauchen Buben meinem Gefühl nach tendenziell mehr Zeit.

In einer Familie war die Situation, dass ihr Sohn großes Interesse für das WC zeigte. Er interessierte sich wie es funktioniert und wohin das Wasser bzw. Lulu fliest. Außerdem probierte der das WC aus. Er wollte herausfinden wie es sich anfühlt auf dem WC zu sitzen und was man dort so macht. Er probierte den Klobesen und das Toilettenpapier. Doch seine Windel wollte er nicht hergeben. In diesem Fall ermutigte ich die Eltern die Signale ihres Kindes ernst zu nehmen und immer wieder anzubieten das WC zu benutzen. Oder einfacher gesagt das Kind einfach tun lassen und ihm Zeit geben. Also vertrauen, dass der Tag kommt wo er die Windel abgeben wird und das WC mit Kindersitz verwendet.

Aus einer anderen Familie weiß ich, dass der Bub auf einmal beschlossen hat ohne Windel sein zu wollen. Die Eltern vertrauten und freuten sich. Es klappte wunderbar. Doch eines machte den Eltern Sorgen: ihr Kind zog sich immer die Hose und die Unterhose komplett aus, wenn es auf die Toilette ging. Im Sommer war es für sie okay. Doch über den kommenden Herbst und Winter, wenn das Kind mehr an hatte, machten sie sich Sorgen. Sie fragten sich, ob es ihr Kind schafft alles rechtzeitig auszuziehen. Durch beobachten fanden die Eltern heraus, dass das Kind eine eigene Technik entwickelt hatte wie es sich auf das WC setzte und dafür war Beinfreiheit notwendig. Als sie das erkannten, konnten sie sich einlassen und dem Kind die Zeit geben, die es brauchte.

Wenn du mehr zum Thema Sauber Werden erfahren willst, dann kann ich dir das Buch „Artgerecht – Das andere Kleinkinderbuch“ von Nicola Schmidt empfehlen. Sie behandelt dort das Thema sauber werden sehr ausführlich.

Kinder brauchen Eltern, die …

… sich einlassen auf das Kind und die Situation.

… ihrem Kind vertrauen, dass es diesen Entwicklungsschritt schaffen wird.

… ihre Sorgen und Ängste rund um das Thema loslassen.

… sich von gesellschaftlichen Erwartungen abgrenzen und loslösen.

… die Individualität ihres Kindes anerkennen.

… ihr Kind so annehmen wie es ist.

Ja, für manche ist es eine Herausforderung und ja, es ist ein Prozess, der auch Zeit braucht. Aus eigener Erfahrung kann ich dir sagen, dass es für mich nicht einfach war. In meiner Ausbildung bei Familylab lernte ich, dass Kinder mehr Zeit brauchen und ich mich auf die Situation einlassen soll. Doch wie? Manchmal war es echt sooo schwierig. Doch durch Ausprobieren und immer wieder aufs Neue versuchen mich auf die Situation einzulassen habe ich gemerkt wie wertvoll dies für mich und mein Kind ist. Daher möchte ich dich einladen, es auszuprobieren dich einzulassen, wenn es sich für dich und dein Kind stimmig anfühlt.

Wenn du mehr zu diesem Thema erfahren willst, dann schau dir doch das Video Familienleben 2.0 – Gib deinem Kind Zeit an oder du besprichst mit mir in einer Beratung wie du deinem Kind mehr Zeit geben kannst, wie du dich noch mehr einlassen und noch mehr vertrauen kannst oder warum das Zeit geben bei deinem Kind wenig bewirkt.

Beitragsbild: www.pixabay.com