Nein Sagen – Warum es für Eltern und Kinder wertvoll ist

In diesem Artikel möchte ich dir das Thema Nein Sagen und persönliche Grenzen etwas näher bringen. Ich schreibe darüber warum es vor allem Müttern schwer fällt Nein zu sagen, warum aber ein Nein wichtig und wertvoll für alle Familienmitglieder ist, was beim Nein sagen wichtig ist und was passiert, wenn ein Elternteil Nein sagt. Am Ende des Beitrags findest du ein Video – einen Impulsvortrag von mir zum Thema Nein sagen. Viel Freude beim Lesen und Anschauen :)

Nein zu meinem Kind ist ein Ja zu mir selbst

Mittlerweile kenn ich immer mehr Mamas – mich eingeschlossen – denen das Nein sagen generell oder in manchen Situationen schwer fällt. Dies hat verschiedene Gründe. Viele Mamas haben ein schlechtes Gewissen, wenn sie nein sagen, da sie die Wünsche und Bedürfnisse des Kindes erfüllen möchten. Dazu kommt, dass sie das Beste für ihr Kind möchten und alles dafür geben. Immer wieder beobachte ich auch die Angst etwas falsch zu machen oder dem Kind weh zu tun. Damit verbunden ist, dass es vielen Mamas schwer fällt die Reaktion des Kindes – insbesondere starke Gefühle – auszuhalten und zu begleiten. Und Konflikte oder unangenehme Situationen vermeiden möchten, weil sie am liebsten Harmonie, Frieden und Entspannung in der Familie haben möchten.

Doch das alles birgt eine große Gefahr: Die Mama achtet zu wenig auf sich. Über die Zeit fühlt sie sich immer mehr ausgelaugt, erschöpft und müde. Auch ich kenne das gut und komme immer wieder in solche Situationen. Allerdings habe ich mittlerweile erkannt: Wenn ich auf mich schaue, dann geht es meinem Kind gut. Warum? Weil wenn ich entspannt und in meiner Mitte bin, ist mein Kind auch entspannt und kann im Alltag viel besser kooperieren. Daher erinnere ich mich immer wieder daran, dass ein Nein zu meinem Kind ein Ja zu mir selbst – meinen Bedürfnissen, Wünschen und Träumen ist.

Warum ist Nein Sagen wichtig und wertvoll?

Die Mutter drückt mit einem Nein ihre persönliche Grenze aus

Ein Nein ist für alle Beteiligten wichtig und wertvoll. Für die Mama ist es wichtig um ihre persönlichen Grenzen klar zu zeigen. In andere Worten: Was geht und was geht nicht. Das erinnert mich daran, wenn jemand zu mir sagt: „Ja, mein Kind testet wieder seien Grenzen.“ Dann schmunzle ich, da aus meiner Sicht das Kind nicht die Grenzen testet, sondern durch sein Verhalten die persönlichen Grenzen seiner Mama kennenlernen möchte. Direkter übersetzt heißt „Grenzen austesten“ für mich, dass das Kind seine Mama fragt: „Wie tickst du? Was ist dir wichtig? was nicht? Wofür stehst du? Wer bist du?“. Indem die Mutter ihre Grenzen äußert, zeigt sie wer sie ist, wofür sie steht und was ihr wichtig ist oder nicht.

Durch ein Nein macht ein Kind wertvolle Erfahrungen

Wenn Eltern in wichtigen Situationen, vor allem wenn sie im Herzen spüren, dass ein Nein passend ist, oder ihnen das Nein eigentlich schwer fällt, Nein sagen lernt das Kind sehr viel dabei:

  • Es ist okay seine Bedürfnisse, Grenzen und Werte zu äußern. Durch ein Nein zeige ich wo meine persönlichen Grenzen sind. Eltern sind dafür das Vorbild indem sie Nein zum Kind, aber ja zu sich – ihren Bedürfnissen, Grenzen und Werten sagen.
  • Das Kind lernt ein Nein zu akzeptieren. In anderen Worten, dass die Bedürfnisse von jemand anderen gerade wichtiger sind als die eigenen. Gleichzeitig lernt es vertrauen, dass sein Nein gehört und ernstgenommen wird, wenn es bei ihm wirklich wichtig ist.
  • Es lernt, dass Konflikte, die aus einem Nein entstehen okay sind, wie man konstruktiv mit Konflikten umgeht.
  • Die Gefühle, die durch das Nein entstehen, sind okay. Das Kind lernt mit seinen Gefühlen vor allem der Frustration, Trauer und Wut umzugehen. Das stärkt die Frustrationstoleranz, die sehr wichtig im Leben ist. Je öfters Kinder im geschützten Rahmen mit den Eltern erfahren haben, wie sie mit Frust und anderen negativen Gefühlen umgehen, umso leichter fällt es ihnen später, wenn sie selbst Erwachsen sind.
  • Dazu kommt, dass ein Kind über die Zeit lernt sich in den anderen einzufühlen, die andere Perspektive zu verstehen. So entwickelt sich über die Zeit die Empathie des Kindes. Aus meiner Sicht eine wunderbare Qualität, die noch viel mehr gestärkt und in unserer Gesellschaft Einhalt ziehen darf.

Was ist beim Nein sagen wichtig?

Viele Eltern berichten mir, dass ihr Nein nicht ernstgenommen wird oder das Kind einfach nicht darauf reagiert. Das hat, wie so oft, viele verschiedene Hintergründe, die von Familie zu Familie unterschiedlich sind. Trotzdem gibt es ein paar Grundsätze, finde ich, helfen, dass das Nein ankommt und wirkt.

Wenn das Kind auf ein Nein nicht reagiert

Wenn ein Kind Nein auf ein Nein nicht reagiert oder es einfach nicht akzeptiert, kann es sein, dass das Nein des Kindes auch nicht akzeptiert und das den Eltern spiegelt. In so einem Fall hilft es das Nein des Kindes anzunehmen und ernst zu nehmen. Dann kann das Kind auch wieder das Nein von den Eltern akzeptieren.

Eine andere Möglichkeit ist, dass das Kind zu oft ein Nein hört und daher auf „Durchzug“ schaltet. Stell dir mal vor zu dir sagt jemand ständig Nein, wie würdest du dich dann fühlen? Auch ich habe diese Erfahrung gemacht und für mich gelernt genauer hinzuschauen wann mir ein Nein wichtig ist und wann nicht. Ich habe für mich das Muster einfach mal Nein sagen abgelegt, indem ich mir kurz Zeit nehme zu fühlen, ob ein Nein jetzt stimmig für mich ist oder nicht. Wenn ich das in dem Moment nicht fühlen kann, antworte ich meinem Kind, dass ich Zeit für meine Entscheidung brauche.

Nein sagen, wenn Eltern nein auch wirklich meinen

Kinder haben sehr feine Antennen und spüren damit sofort, wenn etwas nicht ehrlich, ernst gemeint oder authentisch ist. Daher ist für mich essentiell, dass das Nein ernst und ehrlich gemeint ist. Ich beobachte bei mir und anderen Eltern, dass ein Nein einfach gesagt wird, weil man in so einer Situation einfach nein sagt. Das wurde so gelernt oder wird so von der Gesellschaft erwartet. In solchen Situationen finde ich es gut innezuhalten und sich selbst zu fragen: ist mir ein Nein hier wirklich wichtig?

Ein Beispiel: Ein Kind erkundet beim Einkaufen in einem Kleidungsgeschäft für Damen den Verkaufsraum. Neugierig schaut es sich alles mögliche an und fasst vielleicht auch etwas an. In so einer Situation sagen Eltern: „Nein, das tut man nicht.“ oder sagen einfach immer wieder „Nein.“ Doch warum? Weil es tatsächlich jemanden stört? dann ist das Nein vermutlich ernst gemeint bzw. denke ich, dass auch die Person, die es stört ihre persönliche Grenze durch ein Nein äußern kann. Oder ist es, weil sich die Eltern schämen, dass das Kind so neugierig ist? oder sich nicht gut benimmt? In solchen Fällen, denke ich, wird ein Nein das Kind wenig beeindrucken.

Ich selber habe durch mein Kind gelernt in solchen oder ähnlichen Situationen ihn zu lassen und nicht Nein zu sagen. Ich vertraue darauf, dass wenn er jemanden stört die Person das äußern wird oder ich wahrnehme, wenn mein Kind tatsächlich Grenzen überschreitet. Bis jetzt habe ich damit immer gute Erfahrungen gemacht und durch das Lassen meines Sohnes, war die Stimmung meist recht gut und alles war entspannt.

Kurze, klare Botschaften mit Blickkontakt

Kinder können mit einem Nein viel besser umgehen und es annehmen, wenn die Eltern es nicht nur ernst meinen, sondern auch, wenn das Nein sehr kurz und klar ausgedrückt wird. Oft reicht einfach nur „Nein.“ Meiner Erfahrung nach laden lange Erklärungen Kinder ein zu Verhandeln, zu Quengeln oder zu Betteln und dann ist es für Eltern schwierig beim Nein zu bleiben. Es kann aber auch ein Nein mit einer kurzen Erklärung, die persönliche ausgedrückt wird, gut beim Kind ankommen. Zum Beispiel: „Nein, ich mag dir das jetzt nicht kaufen.“ oder „Nein, ich mag jetzt nicht mehr mit dir spielen.“

Immer öfters beobachte ich, dass ein Nein mit Blickkontakt mit dem Kind besser ankommt, als ein Nein das nebenher gesagt wird. Zum Beispiel: Ich koche und mein Kind fragt mich: „Darf ich vor dem Essen noch ein Joghurt essen?“. Wenn ich einfach nebenbei Nein sage, wirkt es weniger, als wenn ich eine kurze Pause mache, mich zu meinem Kind wende und ihm mit Blickkontakt sage: „Nein, das essen ist gleich fertig.“ Danach wende ich mich wieder dem Kochen zu.

Der Kontaktabbruch

Für mich ist beim Nein Sagen wichtig mit meinem Kind gut in Kontakt zu sein – sprich das was ich vorher geschrieben habe: Blickkontakt, kurze, klare Botschaften und meine eigene Sicherheit, dass ein Nein jetzt passend ist. Nachdem das Nein ausgesprochen wurde, ist für mich der Kontaktabbruch wichtig.

Was meine ich damit? Kontaktabbruch heißt für mich mich vom Kind abwenden. Das kann durch eine non-verbale Geste sein wie zum Beispiel beim Kochen, wo ich mich dem Kochen wieder zuwende oder ich bleibe bei meinem Kind stehen, aber richte meine Aufmerksamkeit auf mich – was spüre ich bei mir? wie geht’s mir? oder ich richte die Aufmerksamkeit auf meinem Atem. Meiner Erfahrung nach ist das bei Kleinkindern besonders wichtig. So ist man als Elternteil im Raum und da. Durch den Kontaktabbruch kann das Kind kann lernen sich alleine zu beruhigen und falls es etwas braucht und dies durch sein Verhalten äußert, kann es das zeigen.

Mit meinem Kind war es oft so, dass es nach einiger Zeit mir gezeigt hat, dass es getröstet werden möchte. So habe ich es dann in meine Arme genommen und getröstet. Sehr hilfreich für uns war auch das Benennen der Gefühle wie zum Beispiel: „Ich sehe, dass du traurig bist.“ oder „Ich sehe, dass du sehr wütend bist.“

Je älter mein Kind wurde, umso mehr beobachtete ich, dass ein Kontaktabbruch bedeutet aus dem Zimmer gehen, es alleine lassen. Denn es konnte sich schon gut selber beruhigen und mit seinen starken Gefühlen umgehen. Nach einiger Zeit kam es meist zu mir. Es hatte sich beruhigt und konnte dann gut mit meinem Nein umgehen. Je öfters ich das mit meinem Kind erlebt habe, umso mehr spüre ich, dass dies die Empathie stärkt und das Hineinversetzen in andere Personen und auch das Akzeptieren des Neins. Denn ein Nein Akzeptieren heißt für mich auch, dass ich annehme, dass ich nicht immer alles bestimmen kann und nicht alle meine Wünsche erfüllt werden können.

Dieses Vorgehen habe ich von Jesper Juul übernommen. Wenn du mehr dazu erfahren möchtest, kann ich dir das Buch „Nein aus Liebe“ von Jesper Juul sehr empfehlen. Mir ist bewusst, dass der Kontaktabbruch sich sehr hart anhört und dir vielleicht im ersten Moment als unmöglich oder unvorstellbar vorkommt. So ginge es mir auch, doch durch mein Spüren lernte ich über die Zeit wie wertvoll und wichtig das ist und wie gut es mir und meinem Kind tut. Wenn du dir da unsicher bist oder mehr erfahren möchtest, dann kontaktiere mich persönlich bevor du mit deinem Kind etwas experimentierst.

Fazit

Nein Sagen ist oft eine Herausforderung und es ist nicht einfach einen Konflikt mit einer geliebten Person zu führen. Allerdings lohnt es sich, sich auf diesen Konflikt einzulassen, denn alle Beteiligten lernen dabei sehr viel – über sich selbst, über den anderen und für das Leben.

Das Thema Nein sagen ist so umfassend, dass ich gerne noch mehr dazu sagen und schreiben möchte. Einen Beitrag dazu gibt es schon und zwar den Impulsvortrag: Familienleben 2.0 – Nein sagen. Ich hoffe, dass ich bald Zeit finde über den Konflikt, der durch ein Nein entsteht, und über die Begleitung des Konflikts zu schreiben. In der Zwischenzeit kann ich dir anbieten, dass du einen Vortrag von mir zum Thema Nein sagen besuchst – hier geht’s zu den aktuellen Veranstaltungen – oder zu einer individuellen Beratung kommst.

Beitragsbild: Marcos Paulo Prado auf www.unsplash.com

2021-07-19T13:32:20+02:0026. März 2021|Eltern stärken, Kinder begleiten, Nein Sagen, Nein Sagen|
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