Dieser Satz von Jesper Juul hat mich von Beginn an bewegt und berührt. Denn er sagt, dass jeder so in Ordnung ist wie er ist. Egal welche Stärken und Schwächen, Vorzüge oder Macken jemand hat. Jeder ist okay so wie er ist. Wie wunderbar ist diese Haltung?

Doch was heißt es wirklich?

Erst über die letzten beiden Jahre  habe ich die tiefgehende Bedeutung dahinter für mich entdeckt.  „Du bist okay so wie du bist“ heißt jemanden so anzunehmen wie er oder sie ist. Egal was ich darüber denke oder fühle, ob es mir gefällt oder nicht oder ob es mir jetzt in den Kram passt oder nicht.
Diese Haltung ist wunderbar und hört sich so einfach an. Doch das ist es meiner Meinung nach nicht immer. Denn es bedeutet, dass man seine eigenen Erwartungen, Wünsche und Vorstellungen, wie jemand zu sein hat, los lässt und es akzeptiert, dass die andere Person anders denkt, handelt oder fühlt. Auch wenn es für einen selbst nicht einfach ist und man vielleicht sogar Leid oder Sorge darin sieht. Es geht darum die Person so anzunehmen wie sie ist und seine eigenen Wünsche, Vorstellungen und Erwartungen an das Verhalten oder den Charakter dieser Person loszulassen.

Was heißt das in der Praxis?

Das alles hört sich sehr theoretisch und vielleicht auch romantisch, kitschig an. Zumindest ging es mir so als ich mit diese Haltung von Jesper Juul erstmals in Kontakt kam. Daher möchte ich dir zwei Beispiele nennen:

Schlafen gehen

Ein Kind ist am Abend sehr selten müde. Es tut sich schwer beim Einschlafen. Wenn es ins Bett gebracht wird, wälzt es sich hin und her. Es schläft relativ wenig. Doch tagsüber ist es recht fit. Für die Eltern kann es anstrengend sein. Zum einen die Sorgen und Gedanken, ob das Kind genug Schlaf bekommt und ob sich sein Körper und Geist mit so wenig Schlaf gesund entwickeln kann. Zum anderen die Einschränkungen für das eigene Leben – kein freier Abend als Paar, keine Stunde am Abend für sich alleine und so viel gemeinsame Zeit mit dem Kind. Immer ist das Kind da und dabei möchte man als Erwachsener einfach nur, dass es schläft, damit man seine Ruhe hat. Das ist auch legitim (Das möchte ich erwähnen, auch wenn es nicht der Kern dieses Textes ist).

Sein Kind und sein Schlafverhalten anzunehmen und zu akzeptieren, dass es wenig Schlaf braucht, kann eine Herausforderung sein. Die Haltung sollte meiner Meinung nach sein: „Du bist okay so wie du bist. Egal wie viel du schläfst, egal wann du schlafen gehst. Ich lasse dir den Freiraum und dich selbstbestimmt schlafen gehen. Ich zwinge dir nicht einen Schlafrhythmus auf. Ich lasse meine Sorgen und Ängste rund um deinen Schlaf für dich los.“

Persönlichkeitsmerkmale

Es gibt Kinder, die sind schüchtern, ruhig oder ängstlich. Auch das ist okay. Doch für viele Eltern ist das nicht immer okay. Eltern möchten ein mutiges, selbstständiges Kind haben, das alleine in den Kindergarten geht, bei der Verabschiedung fröhlich ist und egal wann und wo offen und herzlich auf andere Menschen zu geht und sich nicht hinter dem Rockzipfel der Mama versteckt. Auch das sind Erwartungen wie ein Kind zu sein hat. Diese los zu lassen und dem Kind das Gefühl geben, dass es in Ordnung ist, wenn es schüchtern, ruhig oder ängstlich ist, heißt, dass es angenommen und geliebt wird wie es ist. Ohne etwas zu tun oder leisten zu müssen, ohne sich anpassen zu müssen und ohne die Erwartungen oder Wünsche der Eltern erfüllen zu müssen.

Seine Erwartungen, Wünsche und Vorstellungen wie das Kind zu sein hat loslassen

Das ist sicher nicht einfach – ich spreche aus eigener Erfahrung. Es geht darum als Erwachsener zu erkennen welche Wünsche, Erwartungen, Vorstellungen habe ich an das Wesen und das Verhalten meines Kindes und diese dann loszulassen. So wird das Kind angenommen wie es ist. Dies ist meines Erachtens grundlegend für eine echte, liebevolle Beziehung zu seinem Kind. Kinder, die diese Haltung erfahren, fühlen sich verstanden und ernst genommen. Es stärkt ihr Selbstgefühl, ihren Selbstwert und ihr Selbstvertrauen. Es gibt dem Kind viel Freiheit und Lebensraum, denn es darf so sein wie es ist.

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